Schoggi-Fans kleben am süssen Schein von Lindt&Sprüngli
Für den Kakao der Schokolade des Zürcher Traditionsunternehmens Lindt&Sprüngli schuften Kinder. Trotzdem bleibt der grosse Aufschrei bei Konsumentinnen und Konsumenten aus. Ein Marketingexperte bedauert «die falsche Normalität».
Interview vom 12. Januar 2024, Bettina Zanni Züri Today
Kritik auf Instagram
Die Schokolade des Zürcher Traditionsunternehmens Lindt&Sprüngli hat einen bitteren Hintergrund. Auf Kakaoplantagen in der Lieferkette des Schokoladenherstellers mit Sitz in Kilchberg sind Betriebe, die Kinderarbeit einsetzen. Eine Recherche der SRF-«Rundschau» zeigt, wie etwa Buben in Ghana im Alter von sechs und acht Jahren Kakaoschoten einsammeln, statt die Schule zu besuchen. «Wenn ich ihnen den Korb auf den Kopf stelle, schmerzt sie das manchmal. Sie weinen beim Tragen», sagt die Kakaobäuerin und Grossmutter der Kinder. Oft verlassen sich die armen Farmer auf ihre Kinder, um ihre schlechte wirtschaftliche Situation auszugleichen.
«Wenn sie arbeiten, ist es ja ok»
Der Werbefilm von Lindt&Sprüngli behauptet derweil das Gegenteil. Die Überwachung und Bekämpfung von Kinderarbeit habe höchste Priorität, heisst es darin. Die Praxis werde regelmässig überprüft und wo möglich würden Massnahmen zur Behebung von Kinderarbeit umgesetzt. Dennoch scheint der Schokoladenhersteller seinen süssen Schein wahren zu können. Der grosse Aufschrei bei den Konsumentinnen und Konsumenten bleibt aus. Die Reaktionen auf die Medienberichte sind auf Social Media ungewöhnlich mild.
«Es überrascht mich, dass seit der Aufdeckung der Kinderarbeit nicht mehr passierte», sagt Marketing Experte Felix Murbach. Man höre und lese praktisch nichts darüber. Im Fall Läderach sei der Aufschrei dagegen riesig gewesen. «Eigentlich müsste man reagieren und ein klares Statement von Lindt&Sprüngli fordern.» Das Unternehmen wollte sich in der «Rundschau» nicht vor der Kamera zu den Vorwürfen äussern. Es meldete, dass die systemischen Faktoren, die zu Kinderarbeit führten, sehr schwierig zu beeinflussen seien. Die Bekämpfung von Kinderarbeit erfordere Bemühungen von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, lokalen Institutionen, Schulen und Bauern.
«Man sitzt es gut schweizerisch aus»
Felix Murbach vermutet, dass aufgedeckte Kinderarbeit bei Konsumgütern die Menschen heute leider nicht mehr genügend empöre.
«Ausbeutung für Konsumgüter ist in unserer Gesellschaft bedauerlicherweise zu einer falschen Normalität geworden.»
Gleichzeitig blendeten die Konsumentinnen und Konsumenten das Problem aus. «Lindt&Sprüngli ist eine Traditionsmarke, ein Arbeitgeber mitten in Zürich und eine Premium-Marke, bei der sowieso alles ‹gut› ist.» Auch einen späteren Imageschaden erwartet Murbach nicht. «Man sitzt das Ganze gut schweizerisch aus, bis keiner mehr darüber redet.» So funktioniere es manchmal auch in der Politik, fügt er augenzwinkernd an.
Hier geht’s zum Interview auf Züri Today vom 11. Januar 2024